Verurteilung wegen Drogendelikt kann auch bei geringer Strafe Existenzbedrohend sein
Drogendelikte, also Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sind in der Kanzlei eines Strafverteidigers so etwas wie ein „Grundrauschen“ – sie kommen laufend vor, kaum ein Tag, an dem man nicht Mandanten wegen größerer oder kleinerer Verstöße gegen das BtMG verteidigt. Den überwiegenden Teil der Fälle machen dabei nicht die „großen“ Dealer aus, die mit hunderten Gramm oder gar kiloweise Rauschgift und Drogen handeln, sondern vielmehr die kleinen Delikte – sei es der Handel mit kleinen oder Kleinstmengen oder gar nur der Besitz geringer Mengen von Drogen. Diesen – häufig jugendlichen oder heranwachsenden – Mandanten stellt sich oft die Frage, weshalb sie bei solchen kleinen Tatvorwürfen, wo per se nur eine geringe Strafe zu erwarten ist, überhaupt einen Strafverteidiger beauftragen sollen (der ja auch Kosten verursacht). Die Antwort liegt oft nicht im BtMG mit seiner unmittelbaren Strafandrohung, sondern ganz versteckt in unbekannten Nebengesetzen – denn dort warten oft Nebenfolgen einer Verurteilung wegen BtMG, die zwar völlig unbekannt, aber in Einzelfällen glatt Existenzvernichtend sein können.
Verurteilung wegen Drogen – geringe Strafe, existenzvernichtende Nebenfolge
Was den meisten noch bekannt sein dürfte ist, dass sich Verurteilungen wegen Drogenbesitzes oder Drogenhandel unter gewissen Umständen negativ auf den Besitz des Führerscheins auswirken können (hier droht der Entzug der Fahrerlaubnis). Das soll aber an anderer Stelle unser Thema sein. Da ich erst gestern vor dem Amtsgericht in Heidelberg (Jugendrichter) einen entsprechenden Fall verhandelt habe, möchte ich heute einmal auf die eher unbekannte Nebenfolge aus § 25 JArbSchG hinweisen. § 25 „JArbSchG“? Genau: § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz, das Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend. Dieses, vom Strafrecht völlig unabhängige Gesetz, trifft in dem genannten § 25 eine Nebenfolge im Zusammenhang mit Verurteilungen nach dem BtMG (also wegen Drogendelikten), die bei vielen Mandanten verheerend sein kann:
(1) Personen, die
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1. wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren,
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2. wegen einer vorsätzlichen Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Ausbildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen begangen haben, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten,
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3. wegen einer Straftat nach den §§ 109h, 171, 174 bis 184i, 225, 232 bis 233a des Strafgesetzbuches,
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4. wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz oder
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5. wegen einer Straftat nach dem Jugendschutzgesetz oder nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wenigstens zweimal rechtskräftig verurteilt worden sind,
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dürfen Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden. Eine Verurteilung bleibt außer Betracht, wenn seit dem Tag ihrer Rechtskraft fünf Jahre verstrichen sind. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
Kurzum: Wer wegen eines Verstoßes gegen das BtMG verurteilt wird, der darf nicht mehr mit Jugendlichen arbeiten (und sie damit auch nicht ausbilden). Wichtig ist dabei dass völlig egal ist, in welcher Höhe die Verurteilung wegen dem Verstoß gegen das BtMG stattgefunden hat. Das Arbeitsverbot tritt also bei einer Verurteilung zu 20 Tagessätzen Geldstrafe genau gleich ein wie bei einer Verurteilung zu 2 Jahren Haft auf Bewährung.
Auch minimale Strafe führt zu Arbeitsverbot mit Jugendlichen
Und genau da liegt das Problem: Wer darauf angewiesen ist, in den kommenden fünf Jahren mit Jugendlichen zu arbeiten (eventuell als Ausbilder im eigenen Betrieb), der darf keinesfalls wegen einem Verstoß gegen das BtMG verurteilt werden. Als Beispiel mein Fall von vergangenem Freitag:
Der Mandant (18 Jahre) wird beschuldigt, einem Bekannten insgesamt 2 Mal je 1 Gramm Marihuana verkauft zu haben und im Besitz einer „Plantage“ von drei Pflanzen zum Eigenbedraf gewesen zu sein. Strafbar als Handeltreiben und Anbau von Betäubungsmitteln nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 BtMG.
Der erste Gedanke ist nun: „Naja, bei zwei Gramm vor einem Jahr und drei Pflänzchen wird ja nicht wirklich was schlimmes bei rauskommen – kostet halt bisschen Geld und paar Sozialstunden.“. Jetzt wurde es allerdings kompliziert, denn
der Mandant war im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in einer Jugendgruppe tätig und strebt die Ausbildung zum Heim- und Jugenderzieher an – der Ausbildungsvertrag liegt faktisch bereit und der Mandant hat darauf anderthalb Jahre hingearbeitet.
Wie wir oben gesehen haben führt nun aber jedwede Verurteilung wegen Verstoß gegen das BtMG zu einem Arbeitsverbot mit Jugendlichen. Das hätte also für meinen Mandanten die (ihm bis zu unseren Gesprächen unbekannte) Konsequenz gehabt, dass er praktisch per sofort seinen Freiwilligendienst hätte abbrechen und sich nach einer neuen Ausbildung und beruflichen Orientierung hätte umsehen müssen. Wegen 2 Gramm Marihuana. Kann doch nicht sein? Ist so.
Nur die Einstellung des Verfahrens rettet vor dem Arbeitsverbot
Das Verbot der Arbeit mit Jugendlichen – und damit das sofortige „Karriereaus“ meines Mandanten lies sich nur durch eine Einstellung des Verfahrens umgehen. Bei jugendlichen und heranwachsenden Mandanten (wie bei meinem) bietet das im Jugendstrafrecht anwendbare Jugendgerichtsgesetz (JGG) eine kleine Hand voll von Einstellungsmöglichkeiten, die mit einer Reihe von Auflagen verknüpft werden können. Hier ist es mit etwas Arbeit des Verteidigers und dem richtigen Verhalten des Beschuldigten (eine Einstellung ist nur bei einem Geständnis möglich) möglich, dass ein Verfahren wie das beschriebene gegen Erbringung von Auflagen ohne Verurteilung eingestellt wird. Bei erwachsenen Tätern wird es hier schon schwieriger, da es in der „normalen“ Strafprozessordnung wesentlich weniger Möglichkeiten zur Einstellung eines Verfahrens gibt (In Drogenverfahren müsste man hier wohl einmal über ein Vorgehen nach § 31 BtMG nachdenken – was aufgrund der sozialen Folgen aber immer genauestens bedacht und überlegt sein will…).
Einstellung des Verfahrens fast nur mit Strafverteidiger erreichbar
Das ist auch der Grund, weshalb häufig auch bei kleinen und gerade kleinsten Drogendelikten die Beauftragung eines Strafverteidigers nötig und lohnenswert ist. Denn nur ein Strafverteidiger kennt die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten und kann gezielt mit dem Mandanten auf eine solche Einstellung hinarbeiten und die Voraussetzungen dafür schaffen.
In meinem Fall am Freitag haben wir erreicht, dass der Mandant (der seit einigen Monaten auch selbst keine Betäubungsmittel mehr konsumiert) unter einigen Auflagen die Einstellung des Verfahrens erreichen kann. Er muss nun negative Drogenscreenings nachweisen und eine geringe Geldbuße zahlen. Macht er beides und erfüllt seine Auflagen, dann wird das verfahren gegen ihn endgültig ohne Verurteilung eingestellt – und er kann seiner Arbeit weiter nachgehen und die Ausbildung beginnen.