Muss ich der Polizei meine Handy-PIN geben? – Nein!
Wenn die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür steht und eine Hausdurchsuchung stattfindet, dann werden fast immer auch Handys und Smartphones beschlagnahmt. Für die Betroffenen stellt sich dann die Frage: Muss man der Polizei auch die PIN zum Handy geben? Die klar Antwort lautet: Nein!
Muss man der Polizei die Handy-PIN mitteilen?
Viele Strafverfahren beginnen – zumindest aus Sicht der Mandanten – damit, dass die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür steht und eine Hausdurchsuchung erfolgt. Dabei werden fast immer Handys, Smartphones und sonstige Speichermedien gesucht und beschlagnahmt. Die Polizei beabsichtigt, diese Handys und Smartphones auszulesen, um Beweismittel zu finden. Insbesondere Handys sind fast immer mit einer PIN oder einem Entsperrcode gesichert. Um das Handy (einfach) auslesen zu können benötigt die Polizei jedoch die PIN bzw. den Entsperrcode des Handys.
PIN-Code niemals herausgeben!
Die Polizei ist darauf angewiesen, dass sie die PIN der Sichergestellten Handys von Ihnen erhält. Wenn die PIN nicht zufällig auf einem Zettel notiert wurde, welcher bei der Durchsuchung ebenfalls gefunden wurde, dann gibt es nur die Möglichkeit die PIN von Ihnen zu erhalten. Um das zu erreichen kommt es fast immer dazu, dass die durchsuchenden Polizeibeamten Druck ausüben oder falsche Versprechungen machen für den Fall, dass die PIN offenbart wird. Dabei ist ganz besonders wichtig zu wissen:
Als Strafverteidiger raten wir Ihnen daher im Fall einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Smartphones immer:
Geben Sie der Polizei niemals Ihre Handy-PIN heraus!
Sie erleiden dadurch keinerlei Nachteil und können die Erfolgschancen der Verteidigung wesentlich verbessern!
Lassen Sie sich nicht durch falsche Drohungen oder Versprechungen der Polizei unter Druck setzen!
Wir hören häufig von unseren Mandanten, dass diese von den Polizeibeamten, welche die Hausdurchsuchung durchführen, unter Druck gesetzt oder stellenweise belogen werden. So wird behauptet
- „Sie sind dazu verpflichtet, die PIN herausgeben!“
- Wir lesen das Handy sowieso aus. Mit Pin geht es schneller.
- „Der Sohn kommt ins Gefängnis, wenn Sie uns die PIN nicht geben.“ (dies berichtete uns erst heute eine Mutter)
Alternativ werden falsche Versprechungen gemacht wie
- „Wenn Sie uns die PIN geben, dann bekommen Sie das Handy in zwei Wochen wieder zurück“
- „Mit der PIN können wir sofort schauen, was auf dem Handy ist und Sie sind sofort entlastet.“
Alle genannten Behauptungen sind schlicht falsch und dienen nur dazu, Sie zur Herausgabe der PIN zu bewegen.
Können Handys ohne PIN ausgelesen werden?
Das die Polizei so vehement die PIN fordert hat einen ganz einfachen Grund: Android-Handys können auch ohne die PIN mit technisch einfachen Mitteln durch die Polizei ausgelesen werden. Mit einer speziellen Software der Firma Cellbrite ist das problemlos möglich. Anders sieht das jedoch bei iPhones der Marke Apple aus. Faktisch ist es so, dass neuere Modelle der iPhones (bislang noch ab dem Modell iPhone 8 aufwärts) ohne die dazugehörige PIN bzw. den Entsperrcode nicht ausgelesen werden können. Ohne die PIN haben Polizei und Staatsanwaltschaft somit keine Chance, um an die auf den iPhone gespeicherten Daten zu gelangen. Als Verteidiger haben wir immer ein Interesse daran, dass die Handydaten unserer Mandanten nicht ausgelesen werden können.
Weshalb sollen Handys nicht ausgelesen werden?
In vielen Fällen, insbesondere beim Vorwurf des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornographie oder der Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln, beruht der Tatvorwurf nur auf Vermutungen. Ein Beweis, welcher später zu einer Verurteilung führt, kann nur dann geführt werden, wenn entsprechende Bilder oder Chatverläufe beim Beschuldigten gefunden werden. Der Gedanke vieler Betroffener ist dann:
„Ich denke, ich habe keine Bilder oder Chats auf dem Handy – also kann die Polizei es schnell auslesen und ich bin entlastet.“
Das ist fast immer ein Trugschluss! Was viele nicht wissen: Das Betriebssystem eines Handys legt von allen Bildern, die auf dem Handy gespeichert werden und von Bildern, die in einem Internetbrowser angezeigt werden, kleine Kopien (sogenannte Thumbnails) an welche dazu dienen, in der Bildergalerie die Galerie oder eben im Webbrowser die Internetseite schneller anzeigen zu können. Auch wenn die eigentlichen Bilddateien auf einem Handy gelöscht werden bleiben die Vorschaubilder gespeichert (das gilt auch für Vorschaubilder besuchter Webseiten). Liest die Polizei dann das Handy aus werden die unbewusst gespeicherten Vorschaubilder gefunden und die Staatsanwaltschaft geht auf dieser Grundlage von einem Tatnachweis aus. Das lässt sich nur vermeiden, wenn man das Auslesen des Handys vermeidet.
Kann mir etwas passieren, wenn ich die PIN nicht herausgebe?
Was kann Ihnen tatsächlich passieren, wenn Sie der Polizei Ihre PIN nicht nennen? Offen gestanden: Nichts. Wenn Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren sind, dann haben Sie ein umfassendes Schweigerecht. Dieses Recht gilt auch für Ihre PIN und Passwörter. Und dieses Recht auf Schweigen darf keinesfalls beschränkt werden oder Ihnen nachteilig ausgelegt werden. Dieses Schweigerecht gilt auch für Eltern in Bezug auf ihre Kinder. Wird also im Haushalt eines minderjährigen Kindes oder Jugendlichen durchsucht, dann müssen auch die Eltern die PIN des Handys des Kindes nicht herausgeben.
Die sämtlichen Drohungen, welche regelmäßig gegenüber Betroffenen von der Polizei ausgesprochen werden, sind sämtlich haltlos. Es erfolgt deswegen keine Verhaftung, es kann kein Zwang angewendet werden, es wird in der Sache nichts verschlimmert.
Folge der Weigerung, die PIN herauszugeben, kann lediglich sein, dass die Auswertung des Handys lange dauert.
Wie mache ich es richtig?
Wie verhält man sich also aus Sicht der Verteidigung optimal? Ganz einfach:
- Wenn bei Ihnen eine Hausdurchsuchung stattfindet und Handys gesucht und beschlagnahmt werden sollen, dann ist das so. Wehren Sie sich keinesfalls körperlich gegen die Beschlagnahme.
- Haben Sie mehrere Handys im Haus und einzelne Geräte gehören beispielsweise kleineren Kindern oder Ihrem Partner, dann sagen sie das den Polizeibeamten.
- Legen Sie formal Widerspruch gegen die Beschlagnahme ein. Sagen Sie den Beamten „Ich widerspreche der Beschlagnahme“ und achten Sie darauf, dass dies im Protokoll der Durchsuchung vermerkt wird.
- Geben Sie nicht die PIN und die Entsperrcodes heraus!
- Rufen Sie noch während der Durchsuchung oder direkt danach bei uns an, damit wir Ihre Verteidigung anstoßen können.
Nach Ihrem Anruf bei uns werden wir uns einen ersten Überblick über die Sachlage verschaffen und als erstes klären, ob wir die sichergestellten Gegenstände wieder herausverlangen können und sollten. Wir besprechen auch, ob es in Ausnahmefällen doch Sinn macht, der Polizei die PIN im Nachgang mitzuteilen. Das muss in Ruhe besprochen werden denn es gibt Fälle, in welchen dies tatsächlich hilfreich sein kann – genauso wie es Fälle gibt, in welchen die Polizei nach Monaten die Handys erfolglos herausgeben muss, da ein Auslesen nicht möglich war.