Weshalb dürfen bei Drogendelikten am Anfang keine Angaben gemacht werden – ein Praxisbericht
Bei Drogendelikten gilt: Machen Sie niemals selbst Angaben zur Sache gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft! Weshalb das so ist zeigen wir hier einmal anhand zweier konkreter Beispiele aus unserem Kanzleialltag.
Schweigen ist Gold – Beispiele aus der Praxis in Drogenverfahren
Bei den meisten Beschuldigten herrscht ein verhängnisvoller Denkfehler: Werden sie wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzs von der Polizei „erwischt“, dann haben sie die Hoffnung, sich durch sofortige geständige Angaben gegenüber der Polizei besser darstellen und gar reinwaschen zu können. Auch haben viele Beschuldigte (in sehr vielen Fällen auch Jugendliche unter „Regie“ der Eltern) Angst davor, sich „mit der Polizei anzulegen“. In diesem Moment werden aber oft Angaben gemacht, welche die Situation des Beschuldigten erheblich verschlechtern und manchmal gerade erst eine spätere Verurteilung ermöglichen. Fehler die hier gemacht werden können später auch durch eine gute Verteidigung oft nicht ausgebessert werden.
Um einmal darzustellen, welche Fehler hier trotz bester Absichten geschehen, stellen wir hier einmal zwei echte Fälle dar, in denen Rechtsanwalt Wullbrandt im späteren Verlauf des Verfahrens die Verteidigung übernahm.
Fall 1: Der ehrliche Azubi
Was war passiert? Der Mandant hatte sich regelmäßig mit Freunden zum „chillen“ in seinem Partyraum getroffen. Dabei wurde regelmäßig gekifft. Eines Tages wurde aus einem anderen Grund (Ruhestörung) die Polizei auf die Jungs aufmerksam und klopfte an. Zwei „Hausgäste“ gingen flüchtig, der Mandant und ein Freund wurden – völlig bekifft – festgehalten und kontrolliert. Gefunden wurden zwei Crusher, eine Tüte mit Marihuanaresten und der Aufschrift „50 Kush“ und Reste eines Joints. Vor Ort machte der Mandant keine Angaben. Zwei Tage danach ging er zur Polizei und machte im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung umfangreiche Angaben – ein schwerwiegender Fehler.
Der 19 jährige Mandant erschien zusammen mit seiner Mutter auf der dörflichen Wache und teilte (wohl wahrheitsgemäß) mit, dass er seit einem halben Jahr kiffe und wöchentlich so ca. 5 Gramm Gras gekauft habe. Daneben machte er noch weitere belastende Angaben. Objektive Beweismittel gab es gegen den Mandanten gar keine. Was geschah? Es kam eine Anklage zum Jugendrichter wegen Erwerb von BtM in mindestens 22 Fällen – nämlich über ein halbes Jahr jede Woche einmal 5 Gramm. Der Mandant hatte mit seiner Aussagepraktisch seine eigene Anklage diktiert.
Leider kam der Mandant erst zwei Tage vor der Verhandlung am Amtsgericht zu uns. Die Situation war dann so, dass wir zwar hätten Schweigen können. Dann hätte das Gericht aber den Vernehmungsbeamten vernommen und so den Tatnachweis geführt. So konnten wir nur noch erreichen, dass der Mandant seine belastenden Aussagen zurückzog und ein teilweises Geständnis ablegte. Das Verfahren konnten wir zwar gegen eine Zahlung von 1.000 Euro zur Einstellung bringen. Hätte der Mandant jedoch keine Angaben bei der Polizei gemacht, dann wäre er mit großer Sicherheit völlig straffrei ausgegangen.
Fall 2: Der ehrliche Kurier
Der zweite Fall ist dramatisch verlaufen. Der (spätere) Mandant hatte sich überreden lassen, einen Bekannten von Stadt A zu Stadt B zu fahren. Heikles Detail: Der Bekannte transportierte knapp 8 Kilo Marihuana, was der Mandant auch wusste. Auf halber Strecke wurde das Auto von der Autobahnpolizei kontrolliert, beide wurden sofort festgenommen.
Um der Untersuchungshaft zu entgehen machte der Mandant – wohlgemerkt anwaltlich vertreten – sowohl bei der ersten Vorführung vor den Haftrichter wie auch in einem einige Tage späteren Haftprüfungstermin vollgeständige Angaben. Er gab dabei an, dass er schon ein weiteres mal zuvor solch eine Fahrt vorgenommen hatte und machte vage Angaben zum Abnehmer der Drogen in der Hoffnung, die Vorteile des § 31 BtMG zu erlangen. Das hatte zunächst Erfolg – der Mandant wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.
Vor dem Verhandlungstermin am Landgericht kam der Mandant zu uns und bat um seine Verteidigung. Zwischenzeitlich war er wieder in einer Festanstellung, absolut drogenfrei und weiter vollgeständig. Objektive Beweise gab es gegen ihn kaum, lediglich, dass er eben das Auto gefahren war. Auf der Tasche, in welcher die Drogen verpackt waren, fanden sich nicht einmal Fingerabdrücke von ihm. Davon ausgehend hätte er höchstens wegen einmaliger Beihilfe zum Drogenhandel verurteilt werden können. Jetzt aber schlugen seine Aussagen aus den Haftprüfungsterminen zu: Das Gericht würdigte zwar positiv, dass er von Anfang an voll geständig war. Er hatte aber gesagt, dass er vorher schon einmal eine Fahrt unternommen hatte (wovon das Gericht sonst nie etwas erfahren hätte) – also war er in den Augen des Gerichts ein Mehrfachtäter und wurde zu fast 2 1/2 Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt!
Hätte der Mandant anfangs geschwiegen, dann hätte eventuell die Untersuchungshaft länger, unter Umständen bis zu 6 Monaten angedauert – mit Sicherheit wäre er dann jedoch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. So hatte er selbst die Grundlage für seine Haftstrafe gelegt.
Fazit: Standhaftigkeit lohnt sich
Beide Fälle zeigen deutlich, dass ein anfängliches Schweigen zu einem viel besseren Ausgang des Verfahrens geführt hätte. Und zwar auch, wenn – wie in Fall 2 – das Schweigen zuerst mit Nachteilen wie einer längeren Untersuchungshaftdauer verbunden gewesen wäre. Es kostet teils durchaus hohe Anstrengungen und Nerven, das konsequente Schweigen durchzuhalten. In den meisten Fällen lohnt es aber am Ende des Verfahrens – und das ist, was abschließend zählt.
Ob das auch in Ihrem Einzelfall so ist und wie konkret am besten zu handeln ist, das besprechen wir bei Bedarf gerne mit Ihnen persönlich!