Keine Durchsuchung aufgrund pauschaler anonymer Anzeige

Tim Wullbrandt - Anwalt für Strafrecht in Heidelberg

Erhält die Staatsanwaltschaft eine anonyme „Anzeige“, welche nur pauschale Hinweise auf eine mögliche Straftat enthält, dann rechtfertigt das nicht den Erlass eines Durchsuchungsbefehls. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wiegt schwerer als das Interesse an einer solchen Durchsuchung.

Hausdurchsuchung wegen pauschaler anonymer Anzeige ist unzulässig

Vom Landgericht Augsburg kommt ja selten Gutes (aus Sicht der Beschuldigten in Strafverfahren und deren Verteidiger gesehen), aber diese Entscheidung ist dann doch zu begrüßen: Aufgrund einer pauschalen anonymen Anzeige darf die Staatsanwaltschaft keinen Durchsuchungsbeschluss beantragen und eine Wohnung durchsuchen. So lautet inhaltlich der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 12.09.2017 – 1 Qs 339/17.

Was war passiert? Die Staatsanwaltschaft hatte einen anonymen Brief erhalten in welchem es unter anderem hieß

Die Pädophilen sind überall. So ist mir bekannt, dass auch in D. die Pädophilen ihr Unwesen treiben. Besonders Herr … und sein Sohn vertreiben Kinderpornographie der übelsten Art. Der Computer ist im Keller versteckt

Nachdem die Staatsanwaltschaft festgestellt hatte, dass es die benannten Personen zwar gibt, allerdings die Anschrift nicht stimmte und man noch dazu feststellte, dass die genannten Personen keinerlei Einträge im Führungszeugnis hatten, beantragte sie Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnräume der genannten Personen. Das zuständige Amtsgericht wies diese Anträge zurück.

Pauschale anonyme Anzeige begründet keinen Anfangsverdacht

Nachdem die Staatsanwaltschaft hiergegen in Beschwerde vor das Landgericht ging entschied dieses nun: Eine so dermaßen pauschale anonyme Anzeige begründet nicht einmal einen Anfangsverdacht einer Straftat. Dieser müsste aber zumindest vorliegen, damit man per Durchsuchung in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes eingreifen könne. Würde man das anders sehen, dann würde man dem Denunziantentum buchstäblich Tür und Tor öffnen.

Außerdem müsse die Staatsanwaltschaft die Unschuldsvermutung beachten. Aus der hier eingegangenen anonymen „Anzeige“ lassen sich jedoch keinerlei Erkenntnisse ziehen, welche einen Anfangsverdacht begründen oder erhärten könnten. Daraus, dass ein Haus einen Keller habe, lasse sich jedenfalls kein Schluss darauf ziehen, dass kinderpornographische Schriften vertrieben werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor geraumer Zeit (zu Recht) dargelegt, dass eine anonyme Anzeige nur genügen kann, „wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wird.“ Das ist im hiesigen Fall beiden Alternativen nicht der Fall gewesen. Aus Sicht des Landgerichts war die Anzeige sogar so dilettantisch gestaltet, dass die Staatsanwaltschaft wohl nicht einmal hätte eine formelles Ermittlungsverfahren einleiten dürfen.